Bedingter Vorsatz (Eventualvorsatz) ist die schwächste Form des Vorsatzes im Sinne von § 15 StGB. Die genaue Definition ist umstritten.
Erklärung
Während die beiden stärksten Formen des direkten Vorsatzes (ersten und zweiten Grades) unumstritten sind, gibt es keine einheitliche Definition des bedingten Vorsatzes. Mindestvoraussetzungen sind in jedem Fall:
Der Täter strebt die Erfüllung des Tatbestands nicht an.
Er hält den Eintritt des Erfolgs auch nicht für sicher,
aber zumindest für möglich.
Beispiel: T fährt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und überfährt einen Fußgänger. Totschlag (§ 212 StGB) oder fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)?
Es gibt verschiedene Ansätze zur Beschreibung des Eventualvorsatzes:
BGH: Was ist bedingter Vorsatz? Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, daß er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. BGH 1 StR 262/88
FAQ
Was ist bedingter Vorsatz?Ein Täter handelt bedingt vorsätzlich, wenn er den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolgs nicht für sicher, aber mindestens für möglich hält. Der Erfolg ist dabei nicht Ziel seines Handelns. Schwierig ist die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit.
Welche Theorien zum bedingten Vorsatz gibt es?Grundsätzlich werden voluntative und kognitive (intellektuelle) Theorien unterschieden. Letztere grenzen lediglich über das Wissenselement von der bewussten Fahrlässigkeit ab. Voluntative Theorien fordern dagegen eine bestimmte emotionale Einstellung zum Erfolg.
→ Prüfungsschema Vorsatz/Fahrlässigkeit
→ Crashkurs Vorsätzliches Begehungsdelikt
→ BGHSt 7, 636: Lederriemenfall → Mark Deiters: Bedingter Vorsatz als Beweisthema im Strafprozess (PDF) → Sebastian Rombey: BGH: Kriterien zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit → Vavra/Holznagel ZJS 2018, 559: Der bedingte Tötungsvorsatz als Klausurproblem (PDF) → Ingeborg Puppe: Der Vorstellungsinhalt des dolus eventualis (PDF) → Esma Nur Turhan: Vorsatz und Fahrlässigkeit im deutschen und türkischen Strafrecht (2020) | Amazon #Anzeige
→ Theresa Bausch: Die Berücksichtigung der individuellen Entwicklung bei der Auslegung strafrechtlicher Normen am Beispiel des dolus eventualis (2020) | Amazon #Anzeige
→ Daniel Martschink: Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum bedingten Vorsatz bei Tötungsdelikten (2016) | Amazon #Anzeige
→ Mona Helmi: Die Tötungshemmschwelle als Indiz zur Begründung bedingten Vorsatzes (2012) | Amazon #Anzeige
→ Bernd Pahlke: Rücktritt bei dolus eventualis (1993) | Amazon #Anzeige
→ Alf Ross: Über den Vorsatz · Studien zur dänischen, englischen, deutschen und schwedischen Lehre und Rechtsprechung (1979) | Amazon #Anzeige