Der Erst-recht-Schluss argumentiert vom Größeren auf das Kleinere oder vom Kleineren auf das Größere.
Erklärung
Der Erst-recht-Schluss (argumentum a fortiori) ist eine Argumentationsmethode, die in zwei Formen vorkommt:
argumentum a maiore ad minus (Schluss vom Größeren auf das Kleinere): Wenn schon die vorsätzliche Beihilfe zu einer Selbsttötung straflos ist, kann diese nicht als fahrlässige Tötung strafbar sein.
argumentum a minore ad maius (Schluss vom Kleineren auf das Größere): Wenn schon die reine Absicht der Verwendung eines Werkzeugs einen Tatbestand erfüllt, dann gilt dies erst recht, wenn das Mittel auch tatsächlich eingesetzt wird (§ 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB).
Viele teleologische Auslegungen kommen in Form eines Erst-recht-Schlusses vor. Der Erst-recht-Schluss wird häufig jedoch auch zur Täuschung eingesetzt: Er überzeugt formal, aber nicht inhaltlich. Voraussetzung für einen Erst-recht-Schluss ist immer,
dass die zu vergleichenden Fälle tatsächlich in einem Größenverhältnis und nicht in einem aliud-Verhältnis stehen
und außerdem eine Regelungslücke besteht, die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt wurde.
Analogie oder Argumentationsform? Als Sonderform der Analogie wird meist auch der Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori) bezeichnet, bei dem die Norm analog auf einen negativen Kandidaten angewandt wird, der im Vergleich zu einem positiven Kandidaten von der Wertung erst recht erfasst sein müsste. Strenggenommen ist der Erst-Recht-Schluss, der auch bei Auslegung eine Rolle spielen kann, aber keine Sonderform der Analogie, sondern eine Argumentationsform, um die Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte zu begründen. Felix Jocham
FAQ
Was ist ein Erst-recht-Schluss?Der Erst-recht-Schluss (argumentum a fortiori) ist eine juristische Methode der Argumentation für die Schließung von Regelungslücken.
→ Crashkurs Grundsätze des Strafrechts
→ Felix Jocham: Kurzeinführung in die Methodenlehre (PDF) → Dieter Götz: Das Erst-Recht-Argument, argumentum a fortiori → Ivo Bach: Die Auslegung von Gesetzen (2. Der Erst-recht-Schluss) (PDF) → Ingeborg Puppe: Kleine Schule des juristischen Denkens (2019) | Amazon #Anzeige
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→ Thomas Grabenhorst: Das argumentum a fortiori: Eine Pilot-Studie anhand der Praxis von Entscheidungsbegründungen (1990) | Amazon #Anzeige