Eine fahrlässige Teilnahme gibt es im Gesetz nicht. Trotzdem gibt es Fallkonstellationen, bei denen ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu der eigenverantwortlichen Handlung eines Dritten denkbar ist, sodass im Ergebnis eine Art fahrlässige Beihilfe oder Anstiftung vorliegt.
Beispiel: Der Jäger J hängt in einer Kneipe sein geladenes Gewehr an die Garderobe. Er weiß, dass sich die verfeindeten T und O in der Kneipe befinden. T greift sich das Gewehr und erschießt O. Ist J wegen § 222 StGB (fahrlässige Tötung) strafbar?
Hierzu werden drei Lösungsansätze vertreten:
- Nach der Theorie des adäquaten Zurechnungszusammenhangs fällt die Verantwortlichkeit für ein Fahrlässigkeitsdelikt beim Dazwischentreten Dritter nur dann aus, wenn das eigenverantwortliche Handeln des Dritten außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegt. Eine fahrlässige Teilnahme ist also möglich.
- Die Theorie der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs verneint generell die objektive Zurechnung für das vollverantwortliche Handeln eines Dritten. Mit der Bestrafung des vorsätzlich handelnden Dritten sei die Erfolgsherbeiführung ausreichend geahndet.
- Die Theorie der begrenzten Verantwortungsbereiche stellt darauf ab, ob erkennbare Anzeichen dafür vorliegen, dass der Dritte die vom Ersthandelnden geschaffene Situation zur Tatbegehung nutzt oder der Ersthandelnde ein Garant für die Erfolgsvermeidung ist.
→ FAQ: Fahrlässige Teilnahme
Strafrecht Definitionen > Beteiligung > Teilnahme > Fahrlässige Teilnahme | Anstiftung | Beihilfe | Notwendige Teilnahme
FAQ
Gibt es eine fahrlässige Teilnahme?
Nach dem Strafgesetz setzen Anstiftung und Beihilfe vorsätzliches Handeln voraus. Es gibt jedoch Fallkonstellationen, bei denen eine Art fahrlässige Teilnahme denkbar ist. Der Täter setzt fahrlässig eine Ursache für einen Erfolg, der aber erst durch das anschließende eigenverantwortliche Handeln eines Dritten entsteht.
Was besagt die Theorie des adäquaten Zurechnungszusammenhangs?
Dass eine fahrlässige Teilnahme möglich ist. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn das eigenverantwortliche Handeln des Dritten außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt.
Was besagt die Theorie der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs?
Dass eine fahrlässige Teilnahme nicht möglich ist. Mit der Bestrafung des vorsätzlich handelnden Dritten sei die Tat ausreichend bestraft.
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Antiftung | Beihilfe | Objektive Zurechnung | Pflichtwidrigkeitszusammenhang | Fahrlässige Mittäterschaft
Links
→ Prüfungsschema Täterschaft/Teilnahme
→ Prüfungsschema Fahrlässigkeit
→ Prüfungsschema Anstiftung
→ Prüfungsschema Beihilfe
→ Crashkurs Täterschaft und Teilnahme
→ Moritz Glocker: Die strafrechtliche Bedeutung von Doping (S. 209: Theorien zur fahrlässigen Teilnahme)
→ Wilhelm Meyer: Die Teilnahme an fahrlässige begangenen Handlungen (1897) | amazon.de