Die grammatische Auslegung fordert, dass der äußerste Wortsinn bei der Interpretation einer Norm nicht überschritten werden darf.
Erklärung
Die grammatische Auslegung (Wortlautauslegung) ist der Ausgangspunkt für die Interpretation einer Norm und legt deren Grenzen fest. Zwei Aspekte spielen dabei eine Rolle:
Semantik (Wortsinn). Beispiel: Was ist eine Sache im Sinne von § 242 StGB?
Syntax (Satzbau). Beispiel: Vermögensbetreuungspflicht auch beim Missbrauchstatbestand (§ 266 Abs. 1 StGB)?
Die umgangssprachlich gerade noch mögliche Bedeutung eines Wortes (oder eines Satzes) bildet die Grenze für jede noch zulässige Auslegung. Eine darüber hinausgehende Deutung würde gegen das im Strafrecht geltende Analogieverbot verstoßen.
Die Analyse der Wort- oder Satzbedeutung richtet sich bei der grammatischen Auslegung nach dem Gebrauch in der Alltagssprache oder Fachsprache. Innerhalb der Grenzen des Wortlauts sind restriktive und extensive Auslegungen möglich.
Grenzen des natürlichen Wortsinns Soweit üblicherweise ausgeführt wird, dass der 'natürliche' (= umgangssprachliche) Wortsinn die Grenze (noch) zulässiger Auslegung darstelle (und somit die Grenze zur Rechtsfortbildung markiere), ist dies dann fragwürdig, wenn hiernach eine besondere fachsprachliche Bedeutung gegenüber der umgangssprachlichen Bedeutung unbeachtet bleiben müsste. Richtigerweise wird man aber die Grenze des 'natürlichen' Wortsinns als die des 'möglichen' Wortsinns unter Einbeziehung eines spezifisch juristischen Sprachgebrauchs verstehen müssen, jedenfalls soweit dieser im Zeitpunkt der Normsetzung bereits bestand und an diesen angeknüpft wurde. Jens Ph. Wilhelm
→ Crashkurs Grundsätze des Strafrechts
→ lecturio.de: Grammatische Auslegung → Jens Ph. Wilhelm: Einführung in das juristische Denken und Arbeiten: Die grammatische bzw. grammatikalische Auslegung (4.2 a, S. 21) (PDF) → Sang-Don Yi: Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung · Das strafrechtliche Analogieverbot (1992) | Amazon #Anzeige