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Neutrale Beihilfe

Neutrale Beihilfe

Definition

Neutrale Beihilfe ist die Hilfeleistung für eine Haupttat, die gleichzeitig eine neutrale berufliche Tätigkeit darstellt.

Erklärung

Als neutrale Beihilfe gelten bedingt vorsätzliche Hilfeleistungen durch eine an sich neutrale oder sozialadäquate Tätigkeit. Dazu gehören zum Beispiel Alltagshandlungen oder eine professionell adäquate Handlung wie der gewerbsmäßige Verkauf. Die Strafbarkeit solcher Handlungen als Beihilfe zur Haupttat ist umstritten.

Beispiel: T kauft im Geschäft des G eine Leiter. G kennt T und nimmt es in Kauf, dass T diese Leiter für einen Wohnungseinbruch benutzen wird.

  • Das bloße Für-möglich-Halten einer Tatbegehung reicht nach der Rechtsprechung nicht aus. Aber bei einem für den Hilfeleistenden erkennbar hohen Risiko liegt die Bewertung als Beihilfehandlung nahe. Demnach liegt eine Beihilfe zur Haupttat vor, wenn das Tun des Gehilfen seinen Alltagscharakter verliert und sich (objektiv wie subjektiv) als Solidarisierung mit dem Täter darstellt.
  • Nach einer anderen Auffassung seien neutrale Handlungen nicht geeignet, den objektiven Tatbestand der Beihilfe im Sinne von § 27 StGB zu erfüllen, wenn sie objektiv auch ohne Bezug zur Handlung sinnvoll sind.

Auch der Gedanke des erlaubten Risikos kann in Fällen der neutralen Beihilfe eine Rolle spielen.

BGH: Neutrale Beihilfe
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung einzuordnen. In diesem Fall verliert sein Tun den 'Alltagscharakter'; es ist als 'Solidarisierung' mit dem Täter zu deuten und dann nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko der Begehung einer Straftat durch den von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.
BGH 3 StR 511/19




FAQ

Was ist neutrale Beihilfe?

Ist neutrale Beihilfe eine Beihilfe im Sinne von § 27 StGB?

Welches Argument spricht gegen die Möglichkeit einer neutralen Beihilfe?


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Verwandte Themen: Beihilfe | Haupttat | Bedingter Vorsatz | Erlaubtes Risiko


Links

Prüfungsschema Beihilfe
Crashkurs Täterschaft und Teilnahme
BGH 3 StR 511/19: Beihilfe durch neutrale Handlungen
BGH 5 StR 624/99: Berufstypische Handlungen als Beihilfe
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