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Tatbestandsirrtum

Tatbestandsirrtum

Definition

Beim Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB irrt der Täter zu seinen Gunsten über einen Umstand des Sachverhalts.

Erklärung

Der Tatbestands­irrtum gemäß § 16 StGB ist ein Irrtum über den Sachverhalt. Dabei irrt der Täter (zu seinen Gunsten) über einen bestimmten Umstand, der zum Tatbestand einer Strafrechtsnorm gehört.

Beispiel: Der Täter schießt auf einen Menschen, den er für eine Schaufensterpuppe hält.

Rechtsfolge: Der Vorsatz in Bezug auf den objektiv verwirklichten Tatbestand (§ 212 StGB) entfällt, eventuell Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB, hier: § 222 StGB).

Der Begriff Tatbestandsirrtum ist missverständlich. Beim Tatbestandsirrtum irrt der Täter nämlich gerade nicht über den Tatbestand, sondern über einen Umstand des Sachverhalts, der einem Tatbestandsmerkmal entspricht. So lautet die gesetzliche Überschrift von § 16 StGB auch Irrtum über Tatumstände.

  • Irrt der Täter über den Tatbestand, handelt es sich um einen Verbotsirrtum oder ein Wahndelikt.
  • Eigentlich müsste der Tatbestandsirrtum korrekterweise Tatumstandsirrtum heißen.

Der Tatbestandsirrtum ist in Bezug auf den Tatumstand ein umgekehrter untauglicher Versuch:

  • Vorstellung: , Wirklichkeit: ⇒ Tatbestandsirrtum
  • Vorstellung: , Wirklichkeit: ⇒ Untauglicher Versuch

Der Irrtum kann sich auch auf den Kausalverlauf beziehen. Ein solcher Irrtum ist jedoch nur dann beachtlich, wenn der wahre vom vorgestellten Kausalverlauf erheblich abweicht.

§ 16 1 StGB: Irrtum über Tatumstände
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.




FAQ

Was ist ein Tatbestandsirrtum?

Was ist die Rechtsfolge eines Tatbestandsirrtums?

Beispiel für einen Tatbestandsirrtum?

Ist ein Irrtum über den Kausalverlauf einer Tat ein Tatbestandsirrtum?

Was wäre nach dem Wortsinn die korrekte Bezeichnung für einen Tatbestandsirrtum?


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