Die Wahlfeststellung ist unter bestimmten Umständen als Ausnahme vom Zweifelssatz zulässig, wenn der Täter eine von zwei Taten begangen hat.
Erklärung
Die Wahlfeststellung ist eine Ausnahme vom Grundsatz in dubio pro reo. Sie kommt zur Anwendung, wenn feststeht, dass der Täter oder Teilnehmer auf jeden Fall eine von zwei möglichen Taten begangen hat. Welche davon, ist aber unsicher.
Bei der echten Wahlfeststellung(ungleichartige Wahlfeststellung) sind die Sachverhalte und die Tatbestände alternativ: Der Täter hat durch die infrage kommenden Handlungen entweder den einen oder anderen Tatbestand verwirklicht.
Beispiel: Der Täter hat die bei ihm gefundenen Gegenstände entweder durch Diebstahl (§ 242 StGB) oder Hehlerei (§ 259 StGB) erlangt.
Eine echte Wahlfeststellung ist zulässig, wenn die Taten rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind, beispielsweise bei:
Anstiftung und Täterschaft,
Diebstahl und Hehlerei,
Urkundenfälschung oder dem Gebrauch einer unechten Urkunde.
In einem solchen Fall wird der Strafrahmen von dem milderen der beiden Gesetze bestimmt. Beide möglichen Delikte sind im Urteil zu nennen.
Bei der unechten Wahlfeststellung(gleichartige Wahlfeststellung) sind die Sachverhalte, nicht aber die Tatbestände alternativ: Der Täter hat entweder durch die eine oder durch die andere Handlung den Tatbestand verwirklicht.
Beispiel: Die erste beeidete Zeugenaussage steht im Widerspruch zur zweiten. Eine von beiden muss falsch sein. Bestrafung wegen Meineids (§ 154 StGB).
Der Unterschied zur Postpendenz und Präpendenz besteht darin, dass bei der Wahlfeststellung nicht sicher ist, welche von zwei Alternativen verwirklicht wurde. Bei Postpendenz und Präpendenz steht eine Tat sicher fest.
BGH: Mehrdeutige Tatsachengrundlage Eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage ist dann gegeben, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass einer der mehreren möglichen Geschehensabläufe mit Sicherheit gegeben ist, die Unsicherheit darüber, welcher es ist, allein in der gedanklichen Vorstellung liegt, dass es auch der andere von ihnen sein könnte. BGH 2 StR 69/07
BGH: Grenzen des Zweifelssatzes Scheidet [eine Wahlfeststellung] wegen fehlender rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der alternativen Straftaten aus, so ist auch der Zweifelssatz nicht geeignet, die Verurteilung wegen des weniger schwerwiegenden Delikts zu tragen. BGH 3 ARs 3/10
FAQ
Was bedeutet Wahlfeststellung?Die Wahlfeststellung ist eine Ausnahme vom Grundsatz in dubio pro reo. Sie kommt dann infrage, wenn der Täter sicher eine von zwei möglichen Taten begangen hat.
Was ist der Unterscheid zwischen echter und unechter Wahlfeststellung?Bei der echten Wahlfeststellung erfüllen die alternativen Sachverhalte unterschiedliche Tatbestände. Bei der unechten Wahlfeststellung sind nur die Sachverhalte alternativ, diese erfüllen aber denselben Tatbestand.
→ Prüfungsschema Diebstahl (§ 242 StGB)
→ Prüfungsschema Hehlerei (§ 259 StGB)
→ Prüfungsschema Urkundenfälschung (§ 267 StGB)
→ BGHSt 25, 182: Raub oder Unterschlagung? → Benedikt Linder: Die Zukunft der Wahlfeststellung (PDF) → N. Bosch: Die Anwendung der Grundsätze der Wahlfeststellung auf die Postpendenzfeststellung → Carsten Klotzsch: Die Wahlfeststellung – Kritische Betrachtung des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen, BGHSt 62, 164 ff. (PDF) → Jürgen Wolter: Wahlfeststellung und in dubio pro reo · Zugleich eine Dokumentation der höchstrichterlichen Rechtsprechung 1934 - 1986 (1987) | Amazon #Anzeige
→ Axel Montenbruck: Wahlfeststellung und Werttypus in Strafrecht und Strafprozessrecht · Entwicklung und Erprobung eines neuen Erklärungsmodells (1976) | Amazon #Anzeige