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Wahrscheinlichkeitstheorie

Wahrscheinlichkeitstheorie

Nach der Wahrschein­lichkeits­theorie handelt ein Täter bedingt vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für wahrscheinlich hält. Wie der Täter emotional zum Erfolg steht – ob er ihn zum Beispiel billigt oder nicht –, spielt nach dieser Theorie keine Rolle.

  • Wahrscheinlich bedeutet nach dieser Theorie mehr als nur möglich.
  • Kritisiert wird an der Wahrscheinlichkeitstheorie vor allem, dass eine Abgrenzung zwischen bloßer Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit meist sehr schwierig ist.

Der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts spielt andererseits immer eine Rolle für die Einschätzung des voluntativen Elements (zum Beispiel des Billigens oder Ernstnehmens eines Erfolgs). Viele Verurteilungen wegen eines bedingt vorsätzlich herbeigeführten Erfolgs beruhen letztlich auf einer ex-post-Einschätzung der Wahrscheinlichkeit durch das Gericht. Obwohl dies nicht explizit zugestanden wird, wird in der Praxis die Wahrscheinlichkeitstheorie für die Ermittlung des bedingten Vorsatzes angewendet.

Unbestimmt und unpraktikabel
Die Definition legt die Problematik der Theorie offen: Ihr zentraler Begriff der Wahrscheinlichkeit ist unbestimmt, ihre praktische Anwendung besonders unsicher und unpraktikabel, wenn nicht sogar notwendig willkürlich. Es ist unmöglich festzustellen, was der Täter subjektiv für wie wahrscheinlich hielt. Es widerspricht zudem menschlichem Verhalten, zunächst statistische Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit durchzuführen, anhand derer dann Entscheidungen getroffen werden.
Vavra/Holznagel

Minimalistisches Zurechnungskonzept
[Das Wort 'wahrscheinlich'] hat nichts mit mathematischer Wahrscheinlichkeit zu tun (was ja in der deutschen Strafrechtsdogmatik von vielen Autoren (apodiktisch) behauptet wird). Es bedeutet positiv: Etwas für wahrscheinlich halten heißt […], dass überwiegende Gründe dafür sprechen, dass dieses 'etwas' eintreten wird. Wahrscheinlich bedeutet etwa dasselbe wie konkret gefährlich. Es ist, wie leicht zu sehen, ein in sich schlüssiges, teleologisch konstruiertes, minimalistisches Zurechnungskonzept und schon deshalb von hoher Plausibilität.
Heinz Koriath

FAQ: Wahrscheinlichkeitstheorie




FAQ

Was besagt die Wahrscheinlichkeitstheorie?

Was bedeutet wahrscheinlich nach der Wahrscheinlichkeitstheorie?

Gehört die Wahrscheinlichkeitstheorie zu den voluntativen oder zu den kognitiven Eventualvorsatz-Theorien?


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Verwandte Themen: Bedingter Vorsatz | Billigungstheorie


Links

Prüfungsschema Vorsatz/Fahrlässigkeit
Prüfungsschema Vorsätzliches Begehungsdelikt
Crashkurs Vorsätzliches Begehungsdelikt
Frister, ZIS 2019, 381: Vorsatzdogmatik in Deutschland (S. 383: Die Wahrscheinlichkeitstheorie und die Lehre von der Vorsatzgefahr) (PDF)
Heinz Koriath: Über den Vorsatz und wie man ihn beweisen könnte (Grundfragen des Strafrechts, S. 103
Alf Ross: Über den Vorsatz · Studien zur dänischen, englischen, deutschen und schwedischen Lehre und Rechtsprechung (1979) | Amazon #Anzeige

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