Ein Unterlassungsdelikt stellt ein Nichthandeln beim Vorliegen einer Handlungspflicht unter Strafe.
Erklärung
Ein Unterlassungsdelikt ist eine Tat, die durch Nichthandeln erfüllt wird - entweder in Form eines echten oder unechten Unterlassungsdelikts.
Das Unterlassen muss ursächlich für den Eintritt des Erfolgs werden (hypothetische Kausalität): Es ist kausal, wenn die gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.
Die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen ist umstritten.
Nach dem naturalistischen Ansatz ist der Energieeinsatz in Richtung auf das verletzte Rechtsgut entscheidend.
Nach dem normativen Ansatz ist der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit entscheidend.
Voraussetzung aller Unterlasssungsdelikte ist, dass der Täter konkret eine Möglichkeit zum Handeln hatte.
Als Konsequenz aus der amtlichen Überschrift zu § 13 StGB (Begehen durch Unterlassen) ergibt sich eigentlich, dass jedes Delikt (auch ein Unterlassungsdelikt) ein Begehungsdelikt ist. Ein Tun im Sinne eines aktiven Handelns wäre demnach für ein Begehungsdelikt also keine Voraussetzung. Trotzdem wird allgemein zwischen Unterlassungsdelikt und Begehungsdelikt unterschieden.
BGH: Aussetzung in Form des 'Im-Stich-Lassens' ist ein Unterlassungsdelikt Der Senat hält § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB für ein Unterlassungsdelikt. Das Verlassen des Opfers ist – anders als nach der früheren Gesetzeslage – nur noch ein faktischer Anwendungsfall, aber kein gesetzlicher Unterfall des Im-Stich-Lassens. Dass der Täter die gebotene Handlung deshalb nicht vornimmt, weil er den Ort, an dem er handeln müsste, verlässt, ändert nichts an dem grundsätzlichen Rechtscharakter der Tat. Letztlich ist bei der Bewertung von Verhaltensweisen unter dem Blickwinkel, ob strafbares Tun oder strafbares Unterlassen vorliegt, darauf abzustellen, worin der 'Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit' liegt. Dieser liegt darin, dass der Täter die gebotene Hilfeleistung unterlässt, ohne dass es darauf ankommt, ob er sich (zusätzlich) entfernt. BGH 1 StR 233/11