Bei der Parallelwertung in der Laiensphäre reicht für den Vorsatz aus, dass der Täter die Umstände kennt, die für eine rechtliche Bewertung erforderlich sind.
Erklärung
Die Parallelwertung in der Laiensphäre ist eine Rechtsfigur für den Vorsatz bezüglich normativer Tatbestandsmerkmale. Hiernach handelt ein Täter auch dann vorsätzlich, wenn er über den normativen Gehalt eines Tatbestandsmerkmals nichts weiß, aber die wesentlichen Umstände kennt, die zu einer korrekten rechtlichen Bewertung führen.
Beispiel: Der Täter hält einen Bierdeckel, auf den der Wirt Striche gemacht hat, nicht für eine Urkunde im Rechtssinne. Er weiß aber, dass der beschriebene Bierdeckel als Beweis für die Anzahl der bestellten Getränke dient. Insofern erfasst er das wesentliche Merkmal einer Urkunde und macht sich einer vorsätzlichen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) strafbar, wenn er einzelne Striche ausradiert.
BGH: Parallelwertung bei § 266a StGB Vorsätzliches Handeln ist bei pflichtwidrig unterlassenem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) nur dann anzunehmen, wenn der Täter auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts - zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre - nachvollzogen hat, er also seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat. BGH 1 StR 346/18
→ Prüfungsschema Urkundenfälschung (§ 267 StGB)
→ Crashkurs Irrtum
→ BGH 1 StR 346/18: Parallelwertung in Bezug auf die Arbeitgeberstellung bei § 266a StGB → Konstantina Papathanasiou: Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale (2014) | Amazon #Anzeige
→ Arthur Kaufmann: Die Parallelwertung in der Laiensphäre: Ein sprachphilosophischer Beitrag zur allgemeinen Verbrechenslehre (1982) | Amazon #Anzeige